Gott, schaffe mir Recht / und führe meine Sache wider das unheilige Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten! Denn du bist der Gott meiner Stärke: Warum hast du mich verstoßen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich dränget? Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung, dass ich hineingehe zum Altar Gottes, / zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist, und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott. Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.
Psalm 43
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
die Zeit vor Ostern, die so genannte Passionszeit, ist eine Möglichkeit, eine Chance: anzuhalten und das Leben, sich selbst und Gott in Ruhe zu betrachten. In Ruhe meint einfach: gesammelt, nicht abgelenkt durch tausende Alltagskleinigkeiten.
Und in Ruhe dem damaligen Psalmist zuzuhören.
Wie schlecht es ihm geht! Wie bekümmert er ist. Und in Gefahr. Er ist umgeben von Menschen, die ihm nur Schlechtes wollen! Und was macht er? Er ruft nach Gericht! Nicht nach Hilfe, sondern nach dem Gericht. Kommt es Ihnen auch merkwürdig vor? Mir schon.
Wenn ich in seiner Lage wäre, würde ich vielleicht verzweifeln, wer weiß?
Aber er, er verlangt nach einen Richter, und zwar ziemlich … harsch.
Ich möchte dem Psalm in seine damalige Zeit folgen, um ihn besser zu verstehen.
Der erhobene Anspruch ‚richte mich‘ oder ‚verschaffe mir recht‘ - Gott gegenüber - ist nicht nur eine Bitte. Es ist eine Erinnerung. Der Psalmist erinnert Gott an den Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Der Bund, in der heutigen Sprache ‚Vertrag‘, bestimmt Rechte und Pflichten der Vertragspartner. Und so ist es auch zwischen Gott und seinem Volk. Solange beide Vertragspartner die Verpflichtungen, die aus dem Vertrag hervorgehen, einhalten, sind sie (nach der Bibel) gerecht. Richten bedeutet also, so zu handeln, dass der Vertrag eingehalten werden kann.
Worum geht es im Vertrag zwischen Gott und Mensch? Um ein Bündnis. Ein Bündnis der Treue und des Segens. Gott hat das Bündnis angeboten und jeder, der es eingeht, befindet sich unter dem Segen und unter dem Schutz Gottes.
Sehr früh nach dem Entstehen dieses Bündnisses sind in Israel sogenannte Richter bekannt geworden – wie Gedeon, Samson und weitere. Männer, die das Volk leiten, es bewahren und Gerechtigkeit ausüben. Doch Richter sind sie deswegen, weil sie das Volk retten und es wieder in ein normales Leben führen. ‚Das Volk zu richten‘ heißt in der Bibel jedem eine Stelle im Bündnis mit Gott zuzuteilen.
Soweit so gut.
Unser Psalmist spricht also seine Rechte an, wenn er zu Gott ruft – richte mich. Er braucht nicht aufgezählt zu bekommen, was er gut und schlecht macht und welches Urteil Gott über ihn sprechen möchte. Nein. Er beruft sich auf den Bund Gottes mit seinem Volk und fordert Gott auf, seinen Teil zu tun.
Er beschreibt seine schlimme Situation: Unheiliges Volk, falsche, böse Menschen, der Feind dränget ihn.
Und worum bittet er? Um das Licht und die Wahrheit.
Der Psalmist will also die Lüge, die Falschheit, das Böse des Menschen nicht durch Kampf oder Rache besiegen, sondern die Lüge durch die Wahrheit verblassen lassen und das Licht soll die Bosheit, die sich oft im Dunkeln oder im Schatten versteckt, aufdecken und ihr wahres Gesicht vor der Welt offenbaren.
Der Psalmist vertraut, er glaubt, wenn er seine Seele fragt: Was betrübst du dich, meine Seele? Harre auf Gott, ich werde ihm noch danken… Das ist Vertrauen!
Ein alter Psalm, allerdings ein sehr aktueller Gedanke.
Auch heute begegnen uns falsche Menschen und auch wir können das Gefühl bekommen von Feinden umzingelt zu sein. Wir benennen es heute nur anders: Mobbing, Schikane, Verleumdung, die zum Rufmord und dadurch zur Vereinsamung führen kann. Auch heute kann uns Dunkelheit umgeben, die kein Licht durchdringt.
In dieser Situation ist es gut, nicht zu vergessen: Ich stehe in einem Bündnis mit Gott! Er sorgt für mich und niemand kann mich drängen. Vor allem der nicht, der auch zum Volk Gottes gehören möchte.
Das drängen ist auch so eine Sache.
Der heutige Sonntag Judika, steht dieses Jahr unter dem Motto: Gerechtigkeit und Welthandel.
Tja, wir, die wir Gerechtigkeit wollen, müssen auch gerecht handeln. Es geht schwer zusammen: um Hilfe zu rufen, während man andere ausbeutet. Ich weiß, wir beuten keinen aus, doch es kann sein, dass wir uns daran beteiligen. Denn es werden Menschen, die unsere Güter herstellen, gedrängt, Sachen zu tun, die sie nicht tun wollen, sie werden ausgebeutet. Wenn wir nach den Schnäppchen jagen und nicht hinterfragen, wieso ein Hemd nur 10 Euro kosten kann, wenn wir billige Fleischprodukte kaufen und nicht danach fragen, unter welchen Bedingungen die Masttiere leben und sterben … Was macht es uns aus!? Vor allem billig? Geiz ist geil? Nein. Geiz ist verletzend, entwürdigend, manchmal sogar tödlich.
Wenn meine Lust mehr Gewicht hat, als das Leid der Menschen, der Tiere und der Natur, ist offensichtlich etwas nicht in Ordnung.
Es gibt zum Glück Wege, wie man der Ausbeutung anderer entgegenwirken kann. Allerdings sind diese Wege oft mit einem unpopulären Wort verbunden: Enthaltsamkeit. Oder noch schlimmer: Verzicht. Verzichten kann Hilfe bedeuten. Es kann die Umwelt schützen. Mein Verzicht kann ein Gewinn für andere bedeuten. Denn: weniger ist mehr. Weniger Gier, mehr Gerechtigkeit. Weniger Konsum, mehr Naturschutz. Weniger Oberflächlichkeit, mehr Echtheit.
Wer im Bündnis mit Gott steht, kann nicht auf Kosten anderer Leben, maßlos sein. Denn es gibt ein Maß, nach dem wir zu messen haben:
Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Wenn du das tust, wirst du nicht ausbeuten, nicht mitversklaven, nicht mitquälen, nicht andere ‚drängen‘, wie der Psalmist so schön sagt.
Dann kannst auch du zu Gott rufen: Verschaffe mir recht in meiner miesen Lage, Gott. Ich will nicht durch die Welt traurig laufen. Sende dein Licht, damit auch ich leuchten kann: den anderen. Sende deine Wahrheit, damit auch die anderen sie durch mich erfahren können. Dann kann meine Seele wieder fröhlich sein und mit Dankbarkeit an dich denken. Und vielleicht immer wieder mal anhalten und schauen wo wir stehen: ob wir nicht gerade zufällig zu dem ‚unheiligen Volk‘ gehören. Un-heilig, (auf hebräisch lo-chasid), bedeutet vor allem nicht-Anhänger Gottes; der, der sich aus Gott nicht viel macht und sein Unwesen weiter treibt. Jetzt, wenn unser Leben durch die Coronaviruspandemie ausgebremst wird, lasst uns den ehrlichen Blick auf uns selbst, auf die Gerechtigkeit unseres Tuns und auf die Bedürfnisse unseres Herzen wagen. Gott steht uns bei!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Bleiben Sie behütet.
Pastorin z.A. Martina Lukešová
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Chis Wolff (Montag, 30 März 2020 07:04)
Hallo Liebe Pastorin Lukešová,
ich freue mich sehr von Ihnen zu hören. So bleibt ein kleiner Teil des Gottesdienstes erhalten. Gott spricht aus Ihrem Munde. Bleiben Sie gesund. Bis zu einem persönlichen Wiedersehen wünsche ich Ihnen viel Kraft. Ihr kath. Gemeindemitglied.