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Lätare, 22.03.2020

Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Jesaja 54, 7-10

Die Worte aus dem Buch Jesaja sind ein Teil einer Verheißungsrede Gottes. Gott spricht zu Israel über die gute Zukunft, die das Volk erwartet. Für kurze Zeit seid ihr auf euch gestellt und dann wird euch nur noch Erbarmung und Frieden widerfahren. Guter Deal, würde ich sagen... Doch wie ist es mit der Zeit, wenn Gott nicht da ist? Oder, wenn wir denken, er wäre nicht da.

 

Was bedeutet es, wenn jemand uns für einen kleinen Augenblick verlässt?

 

Ist es eine schwere Zeit? Ist es eine beängstigende Zeit? Ist es eine fröhliche Zeit? Ich denke, dass jeder selbst sich diese Frage beantworten muss, denn es gibt hierfür keine allgemeine Antwort. Warum? Weil jeder anders zu Gott steht und jeder deswegen anders auf seine ‚Unnähe‘ reagiert.

 

Liebst du, so denkst du an den Nichtanwesenden die ganze Zeit. Wo ist er/sie? Was macht er/sie? Was kann ich tun, damit er sich freut, wenn er zurückkommt?

 

Das ist eine liebevolle Beziehung. Eine vertrauensvolle Beziehung. Dein Partner kann dir vertrauen und du ihm. Du suchst dir keinen Ersatz, sobald die Tür hinter ihm zufällt. Du bleibst bei ihm. Mit Gedanken, mit Emotionen, sogar mit Taten. Das heißt Liebe.

 

Allerdings, wenn du schnell deinen Wünschen, Lüsten, Ängsten oder Frustrationen nachgehst – ohne Rücksicht auf den abwesenden Partner, zeigt es, dass die Beziehung nicht besonders stark ist. Eher, dass die Beziehung fast nonexistent ist. Aus den Augen – aus dem Sinn. Dann tut man locker, was den anderen verletzen würde, was ihn ärgern würde. Egal – ist doch nicht da. Dies heißt Ignoranz.

 

In Abwesenheit einer Person zeigt sich oft, wie wir wirklich zu ihr stehen. Ist sie anwesend, tun wir manchmal so, als ob... Doch ist sie weg, was kommt? Denken wir an sie wohlwollend? Lästern wir über sie? Murren wir, dass sie uns nicht zu Verfügung steht? Vergessen wir sie einfach? Oder denken wir: Wow! Ich teile doch die gleichen Werte, die Freundschaft dieser Person ist mir wichtig!

 

So ist es nicht nur mit Mensch und Mensch. So ist es auch mit Gott und Mensch. Was tun wir, wenn Gott weg ist? Was tun wir wenn wir denken Gott wäre nicht da? Es gibt vieles, was man tun kann. Man kann weinen, murren, lästern, ihn vergessen.

 

Man kann sich sogar freuen, dass man endlich tun und lassen kann, was man will, oder – man kann aus allem, was Gott uns Menschen gab, schöpfen und sein Leben gut gestalten. Was gab uns Gott? Vor allem das Leben, die Natur, unsere Nächsten und vieles mehr.

 

Als Jesus Christus am Kreuz starb, sagte er: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Er benutzte das gleiche hebräische Verb wie 700 Jahre vor ihm Jesaja. Es ist schwer, sich verlassen zu fühlen, und gleichzeitig ist es möglich treu und aufrichtig zu bleiben. Jesus hat nicht gemurrt, er hat sogar keine Vorwürfe gemacht. Er sorgte noch für seine Mutter (Apostel Johannes sollte sie versorgen) und erfüllte, was in den Schriften stand (was wir heute Altes Testament nennen). Jesus wusste, was zu tun war um Menschen zu retten. Sein Weg war einzigartig und führte durch den Tod.

 

Er lässt sich nicht vergleichen. Doch möchte ich es teilweise wagen. Denn auch heute sind Menschen in Gefahr. Auch heute brauchen sie Hilfe. Alle um uns herum. Und auch heute haben viele Menschen das Gefühl, Gott wäre nicht da. Denn, wenn er da wäre, könnte er so etwas nicht zulassen. Was? Na, das Corona-Virus. Diese schreckliche Krankheit, die sich exponentiell verbreitet mit solcher Geschwindigkeit, dass man sprachlos wird. Warum tut Gott nichts dagegen?

 

Was sollte er tun? Sollte Gott uns mit Kraft und Macht voneinander halten, uns die Hände waschen, die Coronapartys schließen, die Hamsterkäufer ermahnen zur Solidarität mit anderen? Oder kann es sein, dass er uns das alles schon sagte, sogar vorlebte? Kann es sein, dass wir alles in unseren Händen haben gegen die Gefahr der heutigen Tage?

 

Liebe Gott und Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

 

Die Liebe zu Gott ist eine Beziehung. Eine Beziehung, in der wir Menschen Geborgenheit erleben: Geliebt werden, angenommen werden. Diese Beziehung ist essenziell für unser Lebensgefühl. Zufrieden sein, inneren Frieden haben. In der Beziehung mit Gott, die wir ‚Glaube‘ nennen, können wir wachsen, uns entfalten und aus der Erfüllung her können wir für andere da sein. Für andere da sein bedeutet nicht für sie zu schuften oder sie zu bedienen, sondern: - sie wahrzunehmen, sie kennenzulernen, - ihnen zuzuhören, nach dem Guten für sie zu fragen. Ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erfahren.

 

So wie Gott mir gegenüber steht, so kann ich den anderen gegenüber stehen.

 

Da unser Leben sich, dank des Corona-Virus, anfängt zu verändern, haben sich auch unsere Bedürfnisse verändert. Eine Umarmung kann heute ein Akt der Ignoranz sein. Ein Besuch zu Hause auch. Menschen und Sachen anrühren ohne zu fragen ist heute no-go (geht nicht!). Wer das nicht akzeptieren möchte, zeigt seine Ignoranz. Denn es geht nicht mehr um das eigene ICH, jetzt geht es um die anderen. Ein Mundschutz ist auch ein Zeichen der Nächstenliebe. Durch einen Mundschutz kann ich andere vor meinen eventuellen Corona-Keimen schützen.

 

Es gibt Menschen, die sagen: Mach keine Panik! Doch Mundschutz ist keine

Panik, es ist ein Zeichen der Solidarität. Abstandhalten ist ein Zeichen.

 

Sich an den Regeln zu halten, die andere Menschen schützen, ist kein Angstzeichen, sondern ein Zeichen der Liebe.

 

Jesus zu seiner Zeit tat, was notwendig war für uns Menschen. Sein Weg war schmerzvoll und hat ihn das Leben gekostet.

 

Jetzt, in der Passionszeit, können wir ihm folgen. Auch tun, was notwendig ist für die Menschen um uns herum: es kostet uns nicht das Leben. Nur eine Prise Liebe – verpackt im Geschenkpapier der Rücksicht.

 

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche, Ihre Martina Lukesova, Pastorin z.A.

 

 

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